„Geschäftsmodelle können überholt sein, das Konsumentenverhalten wird sich stark verändern und Gesetze und Vorschriften müssen neu geschrieben werden. Anleger stellt das vor große Herausforderungen. Wie es ihnen in den nächsten fünf Jahren ergehen wird, hängt auch von den massiven Konjunkturmaßnahmen der Regierungen und Zentralbanken ab.
Die Zentralbanken haben im Jahr 2020 Liquidität im Wert von 14 Prozent des weltweiten BIP in das System gepumpt. Sie werden daher bestrebt sein, den Anstieg der Anleiherenditen zu begrenzen, dem deflationären Druck durch das Schließen von während der Krise entstandenen Produktionslücken entgegenzuwirken und das Wachstum auf Kurs zu halten. Dabei verfügen sie über mehr als genug Mittel für eine langfristig lockere Geldpolitik.
Die Anleihenmärkte haben dies zum größten Teil bereits eingepreist. Für Fixed-Income-Anleger bedeutet das wenige Aufwärts-, aber viele Abwärtsrisiken, falls die Stimulierungsmaßnahmen greifen und zu Wachstum und zurückkehrender Inflation führen. Das gilt insbesondere für Staatsanleihen. Negative Realzinsen dürften dagegen für inflationsgeschützte Anleihen eine Outperformance mit sich bringen.
Anleger, die in festverzinsliche Papiere investieren wollen, dürften am Markt für Schwellenländeranleihen in Lokalwährungen gewinnbringende Vermögenswerte zu attraktiven Preisen finden, vor allem aufgrund unterbewerteter Schwellenländerwährungen.
Auch Aktien werden in den kommenden fünf Jahren voraussichtlich niedrigere Erträge liefern als in den letzten zehn Jahren. Die Bewertungen sind in dieser Phase des Konjunkturzyklus hoch; das Wirtschaftswachstum dürfte mäßig ausfallen; und Gewinnmargen der Unternehmen stehen nach wie vor unter Druck, da Regierungen zu weniger unternehmensfreundlichen Maßnahmen tendieren.
Bei den Aktienrenditen erwarten wir eine geringere Divergenz über die Regionen und Länder hinweg als im letzten Jahrzehnt. Gleichzeitig werden US-Aktien vermutlich schlechter abschneiden als andere Märkte.
US-Aktien werden derzeit zu Rekordprämien in einer teuren Währung gehandelt – der US-Dollar dürfte in den kommenden Jahren an Wert verlieren –, und dies zu einer Zeit, in der das Wirtschaftswachstum nachlassen und sich nach und nach wie in anderen Industrieländern entwickeln dürfte.
Aktien aus Europa und den Schwellenländern Asiens werden unserer Meinung nach besser abschneiden, wobei sich chinesische Aktien als Top-Performer profilieren dürften.
Die relative Stärke Asiens dürfte sich vor allem bei Technologiewerten zeigen, und die Region scheint bereit zu sein, in diesem Bereich die Führungsrolle von den USA zu übernehmen. Die Aktienmarktsektoren, die insgesamt am besten abschneiden dürften, sind jene, die vergleichsweise gut kapitalisiert sind und Cash generieren wie Technologie, Basiskonsumgüter und Gesundheit.
Anleger sollten von einem traditionellen ausgewogenen Portfolio Abstand nehmen, wenn sie in den nächsten fünf Jahren attraktive einstellige Realrenditen erzielen wollen. Sie sollten vermehrt in Schwellenländer, alternative Anlagen, inflationsgeschützte Staatsanleihen (Treasury Inflation Protected Securities, TIPS) und Absolute-Return-Strategien anlegen.
Nur so können sie eine Realrendite von 5 Prozent pro Jahr erreichen. Angesichts der großen aktuellen Ungewissheit und der derzeitigen Ausgangslage wäre das eine beachtliche Performance.“
Luca Paolini, Chefstratege, Pictet Asset Management